Diagnostik
Die wichtigste ärztliche diagnostische Maßnahme ist stets das Anamnesegespräch. Durch die ausführliche Erhebung der Anamnese alleine ergibt sich in bis zu 70% aller gesundheitlichen Störungen bereits eine zielgerichtete Verdachtsdiagnose. Diese muss natürlich noch durch entsprechende weitere Untersuchungen untermauert werden.
Die häufigsten behandelbaren Ursachen ungewollter Kinderlosigkeit sind hormonelle Störungen des Zyklusverlaufs mit der Folge, dass der Eisprung ausbleibt, die Eizelle unreif ovuliert wird oder eine Gelbkörperschwäche die Einnistung nicht unterstützt. Ebenso häufig sind von männlicher Seite Störungen der Spermienbildung und -reifung. Und schließlich finden sich vielfach Störungen des Transports der Spermien und der Eizelle durch Verwachsungen, abgelaufene Infektionen oder Endometriose. Deshalb umfasst die zwingend notwendige Basisdiagnostik regelmäßige Hormonmessungen, Spermiogramme und je nach Anamnese die Prüfung der Eileiterdurchlässigkeit.
Die Diagnostik kann je nach den dabei erhobenen Befunden sinnvoll ergänzt werden durch Untersuchungen von Mikrobiom, Endometrium, Blutgerinnung, rheumatologischen, genetischen sowie immunologischen Untersuchungen.
Krankengeschichte
- Gab es Operationen an der Scheide oder den Genitalorganen?
- Bestehen oder bestanden Beschwerden durch häufige oder länger dauernde Infektionen?
- Bestehen zunehmende Regelschmerzen als Ausdruck einer möglichen Endometrioseerkrankung?
- Bestehen Beschwerden bei oder nach dem Geschlechtsverkehr?
- Kommt es beim Geschlechtsverkehr regelmäßig zu Ejakulationen in die Scheide?
- Hat oder hatte der männliche Partner Beschwerden beim oder nach dem Geschlechtsverkehr oder beim Wasserlassen?
- Waren beim Mann die Hoden auch bereits in der Kindheit immer im Hodensack?
- Gab es Verletzungen des männlichen Genitale z.B. beim Sport?
- Ging aus der aktuellen Partnerschaft oder einer Vorbeziehung eines der Partner bereits einmal eine Schwangerschaft hervor und wie verlief diese?
- Besteht eine immunologische Erkrankung oder Allergien bei einem der Partner?
- Wie sind die Lebensgewohnheiten bzgl. Ernährung, Alkohol, Drogen, Rauchen, Sport?
- Werden Medikamente eingenommen?
- Besteht eine Schadstoffexposition z.B. am Arbeitsplatz?
- Besteht Schichtarbeit oder Zeitwechsel?
- Haben oder hatten Sie Über-, Untergewicht oder größere Gewichtsschwankungen?
- Bestehen Vorerkrankungen, Störung der Blutgerinnung oder Thromboseneigung?
- Sind die Partner miteinander verwandt?
- Gibt oder gab es Blutzuckererkrankung, Thrombosen oder Embolien, Fehlbildungen oder erbliche Erkrankungen, Fehlgeburten oder Kinderlosigkeit in den Familien beider Partner?
Informationen zu der familiären Gesundheitsgeschichte der Partner sind ebenfalls von Interesse:
Gibt oder gab es Blutzuckererkrankung, Thrombosen oder Embolien, Fehlbildungen oder erbliche Erkrankungen, Fehlgeburten oder Kinderlosigkeit?
Empfängnisfähige Tage
Hilfreich ergänzen lässt sich dies um Eintragungen der morgendlichen Körpertemperatur und der Konsistenz des Scheidensekrets. Die Messung der Körpertemperatur sollte immer zur gleichen Zeit direkt nach dem Erwachen erfolgen und ist abhängig von einem möglichst regelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus, also nicht geeignet bei Schichtdienst, nach Party mit Alkoholgenuss, häufigem nächtlichen Aufstehen, unterschiedlicher Schlafdauer usw.. Alternativ bzw. wenn ein unregelmäßiger Tagesablauf gepflegt wird, lässt sich die Temperatur mittels eines kommerziellen Systems (Ovularing) kontinuierlich messen. Der Zyklusverlauf kann auch mit Hormonmessungen im Blut oder im Urin überprüft werden, wie dies mit kommerziellen Ovulatiosstests geschieht.
Das Scheidensekret verändert seine Konsistenz im Zyklusverlauf. Die Reifung des Eibläschens (Follikelphase) beginnt mit der Periodenblutung (Zyklusbeginn) und ist nach deren Ende begleitet von wässrig klarem Sekret.
Erreicht ein Eibläschen Sprungreife, zeigt das Sekret eiklare Konsistenz und lässt sich in der Regel zwischen zwei Fingerkuppen zu einem Schleimfaden von mehreren Zentimetern Länge ausziehen. Die eiklare Schleimphase ist zugleich der Zeitraum der höchsten Libido und Orgasmusfähigkeit im gesamten weiblichen Periodenzyklus, denn Orgasmen triggern während dieser Phase den Eiprung. So wird im natürlichen System erreicht, dass sich beide Keimzellen zeitgleich im Eileiter befinden und der Eizelle ausreichend Kontaktzeit für die Befruchtung bleibt.
Mit Entstehung eines Gelbkörpers aus dem gesprungenen Eibläschen (Lutealphase) findet sich ein rahmig weißes (Fluor albus) bis gelbes Sekret. Während dieser Zyklusphase ist keine Befruchtung der Eizelle mehr möglich – ein Umstand der sich auch zur sicheren Kontrazeption nutzen lässt.
Empfängnismindernde Faktoren
- Ausführliche Hormondiagnostik bei der Frau mit mehreren Messungen entlang des Zyklus aus dem venösen Blut, ggf. ergänzt durch Messung im Mundspeichel.
- Untersuchung von Scheide, Gebärmutterhalsschleim, Gebärmutter, Eileitern und Eierstöcken durch eine gynäkologische Untersuchung mit Vaginalultraschall
- Beobachtung der Follikelreifung und des Aufbaus der Gebärmutterschleimhaut mittels mehrfachem Vaginalultraschall (Follikelmonitoring) entlang des Periodenzyklus
- Untersuchung der männlichen Genitalorgane, des Ejakulats und bei Einschränkungen auch den Hormonstatus beim Mann durch einen Andrologen.
- Untersuchung des Spermientransports durch den Gebärmutterhals zum Ausschluss von Antikörpern oder Schleimfaktoren, die die Spermien zurückhalten
- Serologische Basisdiagnostik zum Ausschluss chronischer Infektionen wie Chlamydien, Ureaplasmen, HIV und Hepatitis sowie ausreichender Immunität gegen Röteln, ggf. auch Windpocken und andere Infektionskrankheiten
Bestehen Hinweise für eine Tubenfunktionsstörung oder der klinische Verdacht auf eine Endometrioseerkrankung, sollte eine invasive Diagnostik mit Prüfung der Durchgängigkeit der Eileiter für eine wässrige Farbstoff- oder Ultraschallkontrastmittellösung erfolgen.
In jedem Fall ist jedoch vor einer operativen Maßnahme ein Spermiogramm des männlichen Partners anzufertigen, da in 40% aller Fälle männliche Fertilitätsstörungen führend bzw. allein erklärend die ungewollte Kinderlosigkeit begründen. Ist die Befruchtung der Eizelle bereits durch die Spermienparameter mehr als unwahrscheinlich, verändert die invasiv operative Tubendiagnostik nicht wesentlich die medizinische Begründung für eine Behandlung.
Operative Diagnostik bei der Frau
Lassen sich keine Störungen der Zyklusfunktion und keine Einschränkungen der männlichen Fertilität nachweisen oder sind aus der Krankengeschichte Faktoren bekannt, die auf eine Funktionsstörung der Eileiter hinweisen, sollte vor Beginn einer aufwändigen und teuren Behandlung eine operative Diagnostik erfolgen.
Kontrastmitteldarstellung der Eileiter
Gebärmutterhöhlenspiegelung
Bauchspiegelung
Diese Operationsverfahren sind dennoch vergleichsweise schonend, da geringe Wundflächen entstehen und das Bauchfell nur wenig gereizt wird, wodurch eine geringe Tendenz zu Verwachsungen durch den operativen Eingriff und ein minimales Risiko für Verletzungen, Blutungen, Infektionen und Thrombosen resultiert. Zugleich bietet der kombinierte Eingriff die Möglichkeit zur operativen Korrektur auch komplexer Fehlbildungen oder Veränderungen, die eine Schwangerschaft behindern können, z.B. Myome, Synechien, Verwachsungen, Endometrioseherde, Fibrose der Eierstocksoberfläche, ein Uterusseptum oder andere Fellbildungen.
Gold Standard der operativen Diagnostik ist deshalb die Bauchspiegelung, die in jedem Fall auch die Spiegelung der Gebärmutterhöhle und die Entnahme einer Gewebeprobe der Gebärmutterschleimhaut beinhalten sollte, da Störungen der Gebärmutterschleimhaut oder Verwachsungen in der Gebärmutterhöhle die Einnistung stören können, sich jedoch nicht zwingend auch im kontrastmittelfreien Ultraschall darstellen.
Operative Diagnostik beim Mann
Dr. Roland Grau - Praxis für Wunschkinder
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